Erfassung der Holzkäferfauna im Reutlinger Wildgehege

Ein Teil unserer Artenvielfalt ist auf „Urwälder“ angewiesen, insbesondere solche Arten, die eine enge Bindung an Strukturen der Alters- und Zerfallsphasen der Wälder mit Zunahme von Alt- und Totholz aufweisen. Nach dem Absterben eines Baumes geht die Sukzession und Artenbesiedlung über Jahrzehnte weiter Zu diesen Arten gehören viele Insekten, insb. viele Käferarten, aber auch Pilze, Moose und Flechten.

Durch die Einrichtung des eingezäunten Wildgeheges am Markwasen in Reutlingen sind hier an zahlreichen Bäumen für über 360-jährige Eichen typische Altersstrukturen wie absterbende Äste, große Faulstellen und Höhlungen ausgebildet. Sie werden als abgestorbene, noch stehende Baumruinen oder umgebrochenen Stämme auf der Fläche belassen. Es sind dort Strukturen vorhanden, die aus Verkehrssicherungsgründen im Wirtschaftswald nicht geduldet werden können, für einen lichten natur-nahen Eichenwald aber typisch sind.

Es gibt Hinweise darauf, dass es sich hier um einen ganz besonders schützenswerten Baumbestand handelt, da am Südrand des Wildgeheges in zwei Alteichen der Eremit (Osmoderma eremita, auch Juchtenkäfer) nachgewiesen wurde. Grundsätzlich gilt der Eremit als eine „Schirmart“ mit hohen Ansprüchen an seinen Lebensraum, dessen Vorkommen auf weitere besonders gefährdete Altholzbewohner hinweist. Die Art ist sowohl in Baden-Württemberg als auch bundesweit als „stark gefährdet“ eingestuft. Die Aufnahme in die FFH-Richtlinie (Flora, Fauna, Habitat) zeigt, dass die Art auch auf eu-ropäischer Ebene schutzbedürftig ist.

Zudem gibt es im Gebiet, nach erster Einschätzung eines Käferspezialisten, andere Strukturen wie liegende Hölzer, Blitzrinnen an lebenden Bäumen, tote Baumruinen usw., die möglicherweise von anderen, ausgesprochen seltenen und gefährdeten Arten besiedelt sein könnten. Nach Einschätzung des Experten handelt es sich vermutlich um einen der naturschutzfachlich wertvollsten Baumbestände im Landkreis Reutlingen und im Biosphärengebiet.

Es stellt sich nun die Frage, ob sich auf einer so kleinen und überschaubaren Fläche tatsächlich eine hohe Vielfalt an „Urwald-Reliktarten“ halten konnte, wie die Zukunftsaussichten des Bestands einzuschätzen sind und welche Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen anzuwenden sind.

Im Rahmen des zweijährigen Projekts (2013, 2014) werden die holzbewohnenden Käfer erfasst und Schutz- und Entwicklungsmaßnahmen abgeleitet. Die Arbeiten sind in das Artenhilfskonzept für den Eremit der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz (LUBW) eingebunden.

Erwartete direkte und indirekte Naturschutzwirkungen:

  • Erfassung der (z.T. stark) gefährdeten Käferfauna alter Eichenwälder in einem besonders wertvollen Bestand
  • Aufschluss über die „Schirmfunktion“ des Eremiten für andere, ähnlich lebende Arten 
  • Empfehlungen zu Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen

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